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26. Juli 2024

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Trendforschung –
 wozu?

Trendforschung –
 wozu?

Primär stehe ich Prophezeiungen jeglicher Art extrem vorsichtig gegenüber. Bestünde tatsächlich die Möglichkeit, Zukünftiges treffend vorherzusagen, müssten doch sämtliche Prognostiker längst ausgesorgt haben.

Seit knapp drei Jahrzehnten versuchen uns nun Trendforscher die Strömungen von morgen bereits heute zu erklären. Ihre wissenschaftliche Arbeit unterscheidet sich nicht sehr wesentlich von beispielsweise Soziologen: Sie lesen Bücher und Zeitungen. Sie beobachten ihre Umwelt oder Studienobjekte. Nach einiger Zeit der Analyse publizieren sie ihre 
Ergebnisse – wiederum in Form von verkaufbaren Büchern oder Zeitungsartikeln. Hier gibt es offensichtlich keine neuen Trends. Oder sie lassen sich von Unternehmen zu Vorträgen oder Seminaren einladen. So predigen sie die Tendenzen und geben zugleich ihren Wissensvorsprung freiwillig aus der Hand, um ihn mit anderen zu teilen. Anscheinend tragen unsichere Zeiten und schneller Wandel dazu bei, dass Menschen nach diesen Orientierungspunkten suchen.Die relative junge „Wissenschaft“ der Trendforschung gaukelt – umgeben vom weißen Mäntelchen – das dazu notwendige Maß an Seriosität vor. Komischerweise hat aber keiner das Aufkeimen einer möglichen Wirtschaftskrise erspäht. Wahrscheinlich beschäftigt Alltägliches Visionäre wie Matthias Horx, Faith Popcorn oder John Naisbitt nicht. Schließlich sind sie mit der Schöpfung neuer Begriffe wie „Yuppie“, „Lohas“ oder „Cocooning“ beschäftigt, wie dies der Soziologe Holger Rust in Werken wie Das Anti-Trendbuch oder Zukunfts-illusionen: Kritik der Trendforschung dokumentiert hat. Vielleicht sollte für das Wort „Trend-forschung“ einfach ein neuer Begriff erfunden werden.

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Erfindet das mal für uns

Erfindet das mal für uns

Ideenreichtum und Forschungsdrang leben von Nachfrage, Bedarf und Wunschtraum. Kaum eine Erfindung, eine tolle Geschäfts-idee oder ein brandneues Service wäre sonst jemals entstanden.

Wir haben uns an eine Fülle von neuen Technologien und Gadgets gewöhnt und gieren nach noch mehr Komfort, Produkten und Dienstleistungen. Das ist ideal für die Volkswirtschaft, denn laut Gesetz von Nachfrage und Angebot wird heute ja jedes Bedürfnis umgehend gestillt, oder?
Nicht ganz. Zeitgenossen wie ich wünschen sich bislang vergeblich einige Innovationen, die das Leben wirklich nachhaltig bereichern würden. Zwar gibt es etwa das einfache Mobiltelefon ohne alle Gadgets schon. Aber sagen Sie das mal dem Verkäufer, der Sie als weltfremden Idioten ansieht, wenn Sie das neueste Gratis-Überdrüber-Top-Modell mit Nulltarif ausschlagen wollen.
Andere künftig vorzunehmende Erfindungen wären zudem meiner Meinung nach auch viel dringlicher zu behandeln. Etwa die Erfindung eines intelligenten Computers, der täglich wertvolle Inhalte statt Doof-TV ins Fernsehen einspeist. Die Hotline, in der man nicht in der mit Eingabeaufforderungen gespickten Endlosschleife landet, sondern sofort von fachkundigen Menschen betreut wird. Toll wäre überdies ein verpflichtend zu tragendes stählernes Armband für Politiker, das bei jeder Lüge und jedem Bruch eines Versprechens sofort einen 10.000-Volt-Stromstoß durch den Körper schickt. Auch ein unter allen ökologischen Gesichtspunkten erschaffenes Auto, das unbelehrbare Trunkenbolde nach Gelagen sicher und vollautomatisch ans Ziel befördert, wäre sehr nett. Also los, helle Köpfe: Erfindet das alles mal für uns!

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Schnappschuss

SchnappschussWirtschaftsuniversität Wien

Erste Bank-Preis an WU-Forscherinnen

Der Erste Bank-Preis für Zentraleuropaforschung wurde im Festsaal der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) im Rahmen des eintägigen Forschungsevents WU Competence Day verliehen. Rupert Dollinger, Human-Resources-Leiter der Erste Group, überreichte gemeinsam mit Barbara Sporn, WU-Vizerektorin für Forschung, Internationales und External Relations, den mit 20.000 Euro dotierten Preis an Aleksandra Riedl und Silvia Rocha-Akis, die beiden Preisträgerinnen und Jungökonominnen der WU. Die beiden Jungwissenschaftlerinnen befassen sich in ihrem Forschungsprojekt „Tax Competition in the Enlarged European Union“ mit der Frage, ob sich im Zuge der EU-Erweiterung der Steuerwettbewerb intensiviert hat und welche Länder sich daran besonders stark beteiligen. In der EU zeichnet sich in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten ein Trend zur Senkung der Körperschaftsteuersätze ab, der in der Arbeit näher betrachtet wurde.
Foto: Wirtschaftsuniversität Wien

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Lesetipp

LesetippFFG

40 innovative Forscherinnen vor den Vorhang

Bis 2010 soll in Österreich eine Forschungsquote von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht werden. „Dazu brauchen wir die Köpfe und insbesondere auch die Frauen“, betonte Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) bei der Präsenta-tion des Readers Frauenbilder in Forschung und Technologie, die im Zuge des Frauenförderungsprogramms W-Fforte des Wirtschaftsministeriums erschienen ist. 40 innovative Forscherinnen in „männertypischen“ Jobs werden vorgestellt. Ob Maschinenbauerin, Chemikerin, Baumeisterin oder Eisforscherin in Alaska: Frauen können auch in diesen Bereichen reüssieren.
Ziel ist es, mit den Porträts der hoch qualifizierten Wissenschaftlerinnen einerseits „Expertinnen zum Angreifen“ zu haben und andererseits „jungen Frauen Mut zu machen, sich auch an diese Jobs heranzuwagen“, unterstrich Marek. Ein weiteres Ziel ist die Erhöhung der Frauenquote im Forschungsbereich. Laut Gender-Bericht der EU-Kommission ist in Österreich nicht einmal ein Drittel der Spitzenpositionen mit Frauen besetzt.
Die 40 Frauen werden alphabetisch präsentiert. Leider wurden im Inhaltsverzeichnis nicht die Position und Ausbildung der Person angegeben. Gelobt werden muss die Aufmachung inklusive aussagekräftiger Fotos. „Ich will den Frauen zeigen: Es gibt neue Leitbilder“, betont eine der Porträtierten, die Allergologin Erika Jensen-Jarolim, eine der 15 weiblichen Professorinnen der Med-Uni Wien. Anderes Beispiel: Jutta Isopp, studierte Maschinenbauerin, stellt als Chefin des Unternehmens Messfeld ihren Erfolg unter Beweis: Maschinen aller Art werden fachkundig repariert. cws
Lebensbilder von Frauen in Forschung und Technologie Herausgeber: FFG, Programm W-Fforte, August 2008
Bestellung per E-Mail unter broschuere@w-fforte.at

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Im Fokus

Im Fokus

Spielwaren der Zukunft

Gradmesser für die Spielzeugbranche ist die Nürnberger Spielzeugmesse. Dort werden innovative Spielzeugideen seit 2004 mit dem Toy Innovation Award bedacht. Heuer wurden so bereits zum fünften Mal die mittlerweile begehrten Awards in acht Kategorien vergeben.
193 Unternehmen hatten insgesamt 269 Neuheiten eingereicht. Ein eigens für den Toy Award gestaltetes Gütesiegel zeichnet die prämierten Produkte als „Toy Innovation 2008“ aus. Im Innovation Center der Spielwarenmesse werden darüber hinaus noch viel mehr innovative Spielzeug-ideen gezeigt.

Wasserstoff-Auto H2Go
Für Aufsehen sorgte in der Kategorie „Technik und Elektronik“ das prämierte H2Go von Corgi, ein Fahrzeug, das mit Wasserstoff betrieben wird und sehr futuristisch aussieht. Das Wasserstoff-Auto bringt die Zukunftstechnologie in die Welt der Kinderzimmer. Die Tankstation wird mit Wasser befüllt. Durch einen chemischen Prozess werden Sauerstoff und Wasserstoff getrennt. Die dazu erforderliche Energie wird durch ein integriertes Fotovoltaik-Modul gewonnen.
H2Go ist das Ergebnis einer strategischen Partnerschaft von Corgi International und Horizon Fuel Cell Technologies. Beide Unternehmen streben in nächster Zeit die Entwicklung und Herstellung einer ganzen Palette neuer Spielwaren an, die mit Wasserstoff betrieben werden. Die Marke H2Go soll dadurch zu einer globalen Spitzenmarke für Spielzeuge werden, die saubere Energie nutzen (Aktionspreis: 149,99 Euro bei Spielwarendiele.de).

Ebenso stark beachtet wurde der Sieger in der Kategorie „Wissen und Lernen“: der Eye Clops, ein TV-Mikroskop, eingereicht von Stadlbauer. Dabei wird der Monitor zum Objektiv eines Mikroskops. Kinder können so ihre Umgebung auf der Mikroebene erkunden und kommen zu ganz neuen Einsichten. Das „Auge“ wird einfach an den Fernseher angeschlossen und enthüllt dort die Geheimnisse der untersuchten Objekte in beeindruckender Größe.
Ebenso für heranwachsende Technik-Freaks ein Must ist der Gewinner der Kategorie „Klein und fein“. Augezeichnet wurden Modellautos von Wiking, die mittels neuester Funktechnologie (2,4 GHz-/ISM-Band) gesteuert werden können. Die Fahrzeuge wie etwa ein Feuerwehrwagen sind originalgetreu im Maßstab 1:87 nachgebaut.
Weniger spektakulär ist die Prämierung von neuen Serien altbekannter Marken. So wurde etwa Playmobil in der Kategorie „Spiel und Action“ für seine neue Ägypten-Serie ausgezeichnet.

Träumender Dinosaurier
Den Sonderpreis der Jury erhielt der Dinosaurier Pleo, geschaffen von Caleb Chung, dem Erfinder von Furby. Das Oberflächenmaterial von Pleo ist weich und hautähnlich. Sensoren ermöglichen es dem Dino, zu sehen, zu hören, zu spüren und zu träumen. Pleo agiert autonom, ist lernfähig und nimmt auch per Internet Kontakt mit seiner Umwelt auf. Ein Wermutstropfen ist der hohe Preis von 300 Euro.
„Ein genereller Trend ist die Verknüpfung von klassischen Spielzeugen mit neuen elektronischen Spielfunktionen oder die Verbindung mit virtuellen Welten“, sagt Kyra Mende, Pressesprecherin der Spielwarenmesse. Die nächste Spielwarenmesse findet im Februar 2009 statt.
F.: Hersteller

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Warenkorb

• Augenweide. (Sehr) ambitionierte Hobbyfilmer hat Sony mit seiner HDR-FX1000E im Visier: 20-fach optischer Zoom und Weitwinkel in einem bei HD-Auflösung. Preis: ambitionierte 3749 Euro.

• Ohrwurm. Spät, aber doch ist der österreichische Audiospezialist AKG auf den In-Ear-Kopfhörer-Zug aufgesprungen. Mit drei Gramm Gewicht wiegt der K330 den Preis von 55 Euro mit Klang und gutem Aussehen wieder auf. kl Fotos: Hersteller

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Reaktionen

Essstörungen

Mit Interesse habe ich den Beitrag in der letzten Ausgabe des Magazins economy (Nr. 65 vom 17. Oktober 2008, Anm. d. Red.) zum Thema Essstörung gelesen. Wichtig, dass sich das Magazin dieses Themas annimmt. Spannend auch, die unterschiedlichen Aspekte der Bedeutung von Essen, Nahrung und Lebensmitteln zu beleuchten. Zum Beitrag „Essstörungen im Vormarsch“ möchte ich ergänzen, dass es sehr wohl Einrichtungen gibt, die sich auf die medizinische, psychologische und psychotherapeutische Behandlung von Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge Eating Disorder sowie weitere nicht definierte Essstörungen) spezialisiert haben. Intakt Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen (www.intakt.at) bietet ein umfassendes Behandlungsprogramm an, das sich an Jugendliche ab zwölf Jahren und an Erwachsene richtet.

Gabriele Haselberger, 
Intakt Therapiezentrum, Wien

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Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Vom Patriarch zum modernen Manager

Vom Patriarch zum modernen ManagerBilderbox.com

Zeitgenössische Management-Konzepte sind nicht unbedingt bereits Allgemeingut. Die Innovationen wären da, werden aber viel zu selten vom „modernen Manager“ inhaliert und angewendet.

Die Management-Lehre ist ein weites Feld, und an Theorien mangelt es nicht. Doch es ist leider weitgehend so, dass Unternehmensführung in der Praxis heute bei Weitem nicht das ist, was sich die Theoretiker alles so ausdenken.
Die Probleme beginnen bereits bei der inflationären Verwendung des Begriffs „Manager“: Da gilt als „Facility Manager“, was früher ein Gebäudeverwalter vulgo Hausmeister war. Ein „Procurement Manager“ ist ein Einkäufer, ein „Sales Manager“ ein Verkäufer oder Vertreter. Dadurch wird verschleiert, dass ein Manager im Sinn des Wortes eigentlich eine unternehmerisch handelnde Führungskraft ist (oder sein sollte). Auf diesen Begriff des Managers sind auch am ehesten Innovationen der Management-Lehre anzuwenden.
Unternehmensführung durchlief in den letzten Dekaden einen stetigen Wandel. Nicht allzu lange her ist die Zeit des „Patriarchen“, der Galionsfigur eines Unternehmens, des Repräsentaten alten, meist weiter vererbten Industrie- oder Handelsadels. Auch in Österreich gibt es davon noch genügend Beispiele wie etwa die Unternehmerfamilien Turnauer, Mautner Markhof, Swarovski, Manner und andere. Die meisten von ihnen folgen noch immer der (an sich überholten) Führungsidee von Kontrolle und Vorschrift im Sinne unternehmerischer Stabilität ohne große strategische Extrapolierungen.

Neue Führungskultur
Demgegenüber steht der „Fremdmanager“, also ein angestellter Geschäftsführer, der mit den Familientraditionen brechen und moderne Führungsqualität beweisen soll. Ein Unternehmen, das mit der Familienführungstradition gebrochen hat, ist etwa der Vorarlberger Leuchtenspezialist Zumtobel, der sich für seinen Börsengang mit Andreas Ludwig einen „Fremdmanager“ in die Familie geholt hat.
Was diesen Managern offensteht, ist die Einführung einer neuen Führungskultur. Denn neben dem Konzept von Vorschrift und Kontrolle, das aus der Jahrhundertwende stammt, ist eine ganze Reihe von Management-Innovationen ins Land gezogen. Es kam das Langfristplanungsmanagement, das strategische Management, das Wissensmanagement, verschiedene „Management-by“-Konzepte bis hin zu neuartigen Modellen des Business Process Engineerings, des Lean Managements oder des werte-orientierten Managements, das Ressourcenschonung in den Unternehmensprozess miteinbezieht. Moderne, innovative Konzepte vor allem in dienstleistungsorientierten Unternehmen betreffen heute die Nutzung, Pflege und Weiterentwicklung des Wissens der Unternehmensmitarbeiter – das sogenannte Wissensmanagement, auch wenn es Management-Berater Frederik Malik gerne als „postmodernes Modethema“ abtut. Doch dass vorhandenes Wissen im Unternehmen bestmöglichst genutzt werden sollte, steht außer Zweifel, wenn man – was nicht abwegig ist – Information ebenso als Produktionsfaktor betrachtet wie Arbeit, Kapital und Maschinen.
Im sich immer schneller drehenden Wirtschaftskarussell kommt auch dem Business Process Reengineering immer größere Bedeutung zu. Bei diesem Management-Prinzip werden im Idealfall alle Geschäftsprozesse eines Unternehmens einer fundamentalen Analyse unterzogen und anschließend optimiert, meist auch unter Beiziehung externer Berater. Das Konzept ist vielversprechend, aber auch problemanfällig, da es dazu neigt, positive Aspekte des existierenden Unternehmensgefüges zu ignorieren, und damit unnötige Konflikte schafft.
Einen Höhepunkt innovativen und integrativen Managements haben Frederik Malik und Kollegen in Form des „St. Galler Management-Konzepts“ erfunden. Hier werden nahezu alle Faktoren modernen Managements – normativ, strategisch, operativ – einbezogen, was dieses Modell aber leider auch zu einer komplexen wirtschaftswissenschaftlichen Systemtheorie aufbläst.
Ach ja: Und dann gibt es auch noch Management-Voodoo. Wenn ungeeignete Manager nutzlose Verfahren anwenden.

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

Karriere

• Gerhard Aigner (45) wird mit 1. Jänner 2009 neuer Leiter des Geschäftsreisebereichs der Business Travel der Verkehrsbüro Group. Zu seinen Aufgaben gehören künftig neben der Führung des Bereichs sämtliche Vertriebs-agenden inklusive Kunden--Online-Tools, die Zusammenarbeit mit den Fluglinien, das Key Account Management sowie die Marktentwicklung in Zentral- und Osteuropa. Aigner war davor seit 1982 bei Austrian Airlines tätig. Foto: Verkehrsbüro

• Alexander Bichler (45) ist neuer Head of Small Account Management bei Mobilkom Austria. Der gebürtige Wiener war davor für das Customer Service der serbischen Tochter Vip Mobile verantwortlich. Bichler ist seit 2001 für Mobilkom tätig und war davor unter anderem in der Raiffeisengruppe für die Bereiche Gastronomie, Hotellerie und Facility Management zuständig. Foto: Mobilkom

• Tatjana Lulevic-Heyny ist neue Marketing-Direktorin beim Gewürzehersteller Kotányi. In dieser Funktion leitet sie das zehnköpfige Marketing-Team. Lulevic-Heyny studierte Handelswissenschaften an der WU Wien und absolvierte den MBA an der University of Illinois. Zuletzt war sie bei der Österreichtochter des Mars-Konzerns tätig, wo sie in den letzten 13 Jahren Karriere in den verschiedensten Positionen machte. Foto: Kotányi

• Stephan Schmalzl (36) ist mit November als Rechtsanwalt zu Graf & Pitkowitz zurückgekehrt, um die Practice 
Group Banking & Finance zu verstärken. Er wird schwerpunktmäßig die Fachbereiche Infrastruktur-, Unternehmens- und Liegenschaftsfinanzierungen betreuen. Schmalzl studierte an der Universität Innsbruck und absolvierte danach ein Post Graduate an der Universität St. Gallen. kl Foto: Graf & Pitkowitz

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

,,Unheimlich viel verdienen"

,,Unheimlich viel verdienenwww.syl-eckermann.net

Sylvia Eckermann: „Das offizielle China nutzt zeitgenössische Kunst als Aushängeschild“

Fortschritt. Wandel. Utopie. Was bedeutet das in Europa, was in China? Die österreichischen Medienkünstler Sylvia Eckermann und Gerald Nestler ergründen mit ihrem Projekt „Breathe My Air“, wie sich China verändert – und wie statisch Österreich im Vergleich dazu ist. Ihr Projekt ist eine „unsichtbare Skulptur“: ein mit Sauerstoff angereicherter, abgegrenzter Raum, in dem sie die Zeugnisse einer intensiven Kommunikation präsentieren. Eckermann/Nestler haben europäische Künstler und Künstlerinnen interviewt, die Erfahrung mit China haben, sowie chinesische Künstler, die Erfahrung mit Europa haben. Im Mai 2009 wird der Diskurs von CPU:798, einem Zentrum für zeitgenössische Kunst in Peking, präsentiert.

economy: Als Künstler brauchen Sie Freiheit zum Denken. Warum arbeiten Sie ausgerechnet in China?
Sylvia Eckermann: China als Staat, als politisches System, ist etwas anderes als die Menschen, die mit ihren Kulturen, Denkweisen, Identitäten in China leben, fühlen, Kunst machen und sehr wohl eine Stimme haben. Allein der Gedanke, man könne nicht nach China reisen, weil dort nicht gedacht werden darf, birgt viel westliche Arroganz in sich. Zensur und politische Einflussnahme gibt es auch in Österreich. Ich will damit nicht die groben Fahrlässigkeiten, Brutalitäten und Unmenschlichkeiten, zu denen das politische System in China fähig ist, unterschätzen oder kleinreden. Keineswegs. In China gibt es Menschen, die denken – so, wie es sie bei uns gibt. Und es gibt Menschen, die sich damit schwertun, genauso wie bei uns.

China steckt Blogger ins Gefängnis. Wie haben Sie da Luft zum Atmen?
Gerald Nestler: China ist das Land mit den meisten Bloggern der Welt – eine neue Statistik spricht von 60 Millionen. Die Regierung kontrolliert, zensuriert und sperrt immer wieder Seiten. Auch unsere Webseiten waren unlängst blockiert – aus uns völlig rätselhaften Gründen. Solche Blockaden werden aber mit Proxy-Tools umgangen. Es ist ein „Katz und Maus“-Spiel mit der Regierung, die natürlich auch bestraft. Meistens indirekt – man hat dann plötzlich eine Steuerprüfung. „Das Land ist zu groß“, meint eine Freundin, „um etwas von oben nach unten durchsetzen zu können.“ Blogger lösen Druck aus. Druck auf die Regierung, die dann Ventile öffnet. Das Nachgeben erfolgt natürlich gezielt und punktuell, und die Regierung ist extrem gewieft im Ausnutzen ihrer Möglichkeiten. Jede Freiheit birgt auch einen Vorteil für die regierende Schicht. Gleichzeitig geht China immer mehr in Richtung eines partizipativen politischen Systems. 60 Mio. Blogger, das sind fünf Prozent der Bevölkerung. Wie viele aktive Blogger gibt es in Östereich?

Keine Ahnung. Wie lebendig ist die Kunstszene in Peking?
Eckermann: Sehr lebendig, sehr veränderlich. Das offizielle China nutzt zeitgenössische Kunst als Aushängeschild. Einige Künstler können unglaublich viel verdienen – man muss nur die Preise ansehen, die bis vor Kurzem für zeitgenössische chinesische Kunst gezahlt wurden. Europäern würden die Augen herausfallen, wenn sie sähen, unter welchen Bedingungen nicht wenige Leute hier arbeiten – riesige Ateliers, luxuriöse Autos und eine große Zahl von Assistenten. Viele Arbeiten, die man hier sieht, sind im Westen gar nicht möglich oder extrem schwierig zu realisieren – weil sie einfach zu teuer sind. Größe, Material und Aufwand würden sich bei uns nie und nimmer rechnen.

Was ist in Peking Avantgarde?
Nestler: Zurzeit ist der diskursive Aspekt von avantgardistischen Bewegungen in den Hintergrund gedrängt. Der Markt, das Geldverdienen, beherrscht auch die Kunst völlig. Einer unserer Freunde hier hatte bis vor vier Jahren nichts außer einem winzigen Atelier. Heute fährt er im neuen BMW zwischen einem Computerstudio, wo etwa 15 Leute arbeiten, und dem Atelier hin und her, durch sich täglich ändernde Stadtlandschaften einer unglaublichen Dimension.

Werden Fortschritt und Veränderung in China intensiver erfahren als in Österreich?
Eckermann: Unsere Freunde hier in Peking erzählen, dass sich alles so schnell verändert, dass es unmöglich geworden ist, sich in der Stadt noch zurechtzufinden. Wenn man zwei Wochen später an denselben Ort kommt, ist alles anders. Den Ort, wo man aufwuchs, gibt es mit größter Wahrscheinlichkeit schon lange nicht mehr. Selbst der Ort, an dem man vor einem Jahr noch wohnte, ist einem anderen gewichen. Alles ist in Fluss. In Österreich gibt es Fortschritt und Veränderung nur in homöopathischer Dosis. Dagegen ist Veränderung das Prinzip Chinas geworden.

Kommunistische Utopien sind zerbrochen und über Bord geworfen worden. Was bedeutet das Wort „Utopie“ heute?
Nestler: So wie wir den Begriff im Westen verstehen, gibt es ihn in China nicht. Er war nie Teil der Philosophie. Es gibt kein Schriftzeichen dafür – das wurde erst erfunden, um den Begriff ins Chinesische zu übersetzen. Die Idee der Projektion auf einen „Nicht-Ort“ mit all seinen Möglichkeiten ist hier fremd. China benötigt keine Utopie, da seine Philosophie auf Fließen ausgerichtet ist. Es wird das getan, was jetzt getan werden muss. Alles passiert jetzt und hier. „Wir wissen zwar noch nicht, wohin, aber dafür sind wir schneller dort“ – dieses Zitat von Qualtinger als Devise unserer Elterngeneration trifft auch auf die Generation zu, die in China in den 1960er Jahren geboren wurde und nun mit Ehrgeiz und Fleiß und vielen persönlichen Opfern versucht, das Land aufzubauen.

Economy Ausgabe 67-12-2008, 01.12.2008

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