Im Wettlauf mit den Energiefressern
Fujitsu Siemens
Joseph Reger: „Ich rechne nicht damit, dass sich die Brennstoffzelle in den nächsten drei bis vier Jahren durchsetzen wird.“ Der Technik- und Strategiechef des Computerherstellers Fujitsu Siemens Computers über die immer noch bescheidene Betriebsdauer von Akkus und die Strategie, in Europa zu produzieren.
economy: Die Hightech-Welt präsentiert den Anwendern ständig neue Entwicklungen. Warum können die Hersteller immer noch so wenig mobile Unabhängigkeit garantieren?
Joseph Reger: Wir sind in der Lage, die Akku-Betriebsdauer pro Jahr um acht bis zwölf Prozent zu steigern. Weil sich aber gleichzeitig alle 24 Monate die Computerleistung verdoppelt und mehr Strom braucht – ich spreche hier das Moore’sche Gesetz an – können wir ohne neue Technologie keine wesentliche Verbesserung erreichen.
Wie lange arbeiten Fujitsu Siemens Computers heute realistischerweise?
Größter Energiefresser sind die hochaufl ösenden Displays und die Prozessoren, die immer mehr Strom brauchen, um schneller zu werden. So kommt es, dass die Akkus immer noch nicht länger durchhalten als maximal fünf bis sechs Stunden. Das entspricht also nicht einmal einem geschäftsüblichen langen Arbeitstag. So gesehen wird die kontinuierliche Weiterentwicklung praktisch neutralisiert.
Gibt es Hoffnung auf baldige Besserung?
Aus meiner Sicht sind Lithium- Ionen zurzeit die beste Technologie. Wir testen gerade, wie sich die Beigabe anderer Metalle auf die Leistung auswirkt. Hoffnungsträger ist sicher die Brennstoffzelle. Ich rechne aber nicht damit, dass die Hersteller in den nächsten drei bis vier Jahren einen Durchbruch erzielen werden. Im Moment gibt es hier jede Menge Probleme. Tragbare Brennstoffzellen sind zurzeit so groß wie die Laptops selbst. Experimente in der Automobilindustrie zeigen auch, dass diese alternative Antriebsform den gesamten Kofferraum füllen würde. Das kann nicht im Sinne des Erfi nders sein. Zudem müsste man jede halbe Stunde Methanol nachfüllen oder eine Kapsellösung finden. Diese Substanz ist giftig, freies Hantieren daher nicht besonders zu empfehlen.
Panasonic hat auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas die ersten Laptops mit Brennstoffzellen vorgestellt. Was sagen Sie dazu?
Ich bezweifle im höchsten Maße, dass diese Geräte marktreif sind. Das sind Prototypen, und dieses Stadium kann ja lange vor der Serienreife erreicht sein. Panasonic arbeitet viel und gut in dieser Richtung, aber es würde mich sehr überraschen, wenn man dort für die Massenfertigung bereit ist.
Sie glauben also nicht an diesen Durchbruch?
Die Industrie wird noch viel forschen müssen, denke ich.
Sie sind nicht nur Cheftechniker, sondern auch für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zuständig. Warum produziert Fujitsu Siemens Computers mitten in Deutschland und nicht in einem asiatischen Billiglohnland?
Bei einem Endpreis von etwa 1.000 Euro fällt der größte Brocken mit rund 200 Euro auf den zentralen Prozessor. Durch automatisierte Logistikprozesse konnten wir viel optimieren. Die Herstellung selbst kostet uns pro PC etwa zehn Euro. Natürlich kämen wir in China um ein Zehnfaches billiger. Aber mit der Entscheidung, in Deutschland zu produzieren, können wir besonders fl exibel auf Kundenbedürfnisse reagieren. Das ist wichtig für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Nur ein Drittel unserer Rechner sind ganz normale Serienläufe. Weitere 45 Prozent entfallen auf Geräte, die innerhalb eines bestimmten Regelwerks konfiguriert werden können, und ein knappes Viertel sind ganz individuell zusammengesetzte Systeme. Außerdem können wir unsere hohen Qualitätsansprüche nur erfüllen, weil wir die Produktion selbst überwachen. Das wäre in Asien nicht möglich.
Wie organisieren Sie die Produktionsprozesse, wenn Sie so fl exibel auf Ihre Kunden reagieren müssen?
Wir haben etwas geschafft, das für Europa spektakulär ist. Wir nennen dieses Modell die atmende Fabrik. Dabei schwankt die wöchentliche Arbeitszeit zwischen 24 und 48 Stunden. Unsere Mitarbeiter erfahren bis zwölf Uhr Mittag, ob die Schicht sechs oder acht Stunden dauert, und bis Mittwoch, wann die Arbeitswoche endet. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades, den wir insbesondere in unserer Fabrik in Augsburg erreicht haben, können wir genau errechnen, wie lange die Fertigung für die jeweils eingegangenen Aufträge dauern wird. Die saisonalen Schwankungen meistern wir mit einem Zeitarbeitsmodell, in das fast die Hälfte der 2.000 Mitarbeiter eingebunden sind.
Was unternimmt Ihr Unternehmen für den Umweltschutz? Wir nehmen in dieser Frage eine Vorreiterrolle ein, was uns zahlreiche Preise beschert. So erfüllen wir Standards schon, bevor sie europäisches Recht werden, siehe die Einschränkung gefährlicher Substanzen, die erst mit Juli in Kraft tritt.
Zur Person
Joseph Reger, geboren in Kiskörös/Ungarn, promovierte in Theoretischer Physik an der Universität Köln. Seit der Gründung von Fujitsu Siemens Computers im Jahr 1999 ist er Strategie- und Technikchef des Unternehmens.
Ausgewählter Artikel aus dem Jahr 2006
Rita Michlits, Economy Ausgabe 999999, 13.03.2015