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25. Juli 2024

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Social-Shopping oder soziales Geldverprassen

Social-Shopping oder soziales Geldverprassen© Bilderbox.com

Ein Großteil der ständig in den Sozialen Medien befindlichen Millennials lässt sich dort auch zu zahlreichen Einkäufen verleiten und benutzt das wiederum als Statussymbol. Besonders neue Produkte verbessern dabei die eigene Befindlichkeit.

Jugendliche und junge Erwachsene, die ständig in sozialen Netzwerken eingeloggt sind, geben mehr Geld aus. Das sogenannte "Social-Shopping" wird von dieser Altersgruppe zunehmend praktiziert, so eine aktuelle Umfrage von Propeller Research im Auftrag des Finanzdienstleisters Varo Money, die wiederum von Pressetext Austria erörtert wurde.

Vier Stunden täglich durch Social Media surfen und einkaufen
47 Prozent der befragten Millennials verbringen bis zu vier Stunden pro Tag in den sozialen Netzwerken und 38 Prozent dieser Nutzer kaufen dann auch etwas, nachdem sie es in sozialen Medien gesehen haben. 41 Prozent der Käufer hatten dabei Angst etwas zu verpassen und das ist wiederum ein Beweggrund für ihre Online-Shopping-Gewohnheiten. Um sich besser zu fühlen, bestellen sie zudem gerne neue Produkte.
"Social-Shopping ist so befriedigend, weil die Erwartung der Online-Bestellung tatsächlich Dopamin im Gehirn aktiviert. Wenn Sie ein Produkt online bestellen, erhalten Sie das Produkt nicht sofort. Sie müssen warten. Und im Warten liegt die Vorfreude", erklärt Susan Weinschenk von Psychology Today. Unterstützend wirken die vielen Speichermöglichkeiten, die den Bezahlvorgang binnen Sekunden vorübergehen lassen. Nur wenn Nutzer nochmals ein neues Konto erstellen müssen, besteht Experten zufolge noch eher die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Online-Warenkorb verlassen.

Varianten für den Selbstschutz
"Wenn Nutzer ihre Ausgaben in sozialen Netzwerken eindämmen möchten, müssen sie es sich selbst schwerer machen, Einkäufe abzuschließen", rät Varo Money. "So wie digitale Marken es einfacher als je zuvor gemacht haben, etwas zu kaufen, können die Käufer es sich selbst schwerer machen, es zu tun - und ihre verbundene Kreditkarte löschen, sodass diese bei jedem Kauf erneut gesucht und eingegeben werden muss.“

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PressetextAustria/red, Economy Ausgabe Webartikel, 05.11.2018

„Man muss sich zu hundert Prozent verlassen können.“

„Man muss sich zu hundert Prozent verlassen können.“© economy

(Video/Text) Bei der letzten Payment-Veranstaltung von Wirecard CEE zeigten mehrere Start-Ups ihre neuen Internet-Plattformen. Economy sprach mit den Jungunternehmern über Erfahrungswerte und den nötigen Transfer von Innovation über externe Partner als Wettbewerbsvorteil und Freiraum zur Konzentration auf das Kerngeschäft.

„Travel Stories and Payment Adventures“ war das Thema der letzten Wirecard CEE Veranstaltung „Good Morning E-Payment“ in Graz. Neben Vorträgen zu aktuellen internationalen Trends im Payment-Markt präsentierten mehrere Jungunternehmer die Internet-Plattformen ihrer Firmen und Dienstleistungen.

Wie bezahlt man in Shanghai, New York oder Oslo
“Intelligente digitale Anwendungen halten in immer mehr Bereichen des täglichen Lebens Einzug. Städte, Transportmittel, das Zuhause und das gesamte persönliche Umfeld mit der Art und Weise wie Menschen leben, einkaufen, reisen oder arbeiten, alles wird immer smarter“, so der Programmtext zur Veranstaltung. Die Besucher erfuhren entsprechende Innovationen in den Bereichen Kulinarik, Reise und Tourismus, etwa, wie bezahlt man in Shanghai, New York oder Oslo oder welche Zahlungspräferenzen haben Online-Shopper weltweit.

Hygiene und Tourismus und funktionale Bekleidung
Economy hat sich drei der Innovatoren genauer angesehen und mit den Shop-Betreibern über Erfahrungswerte bei der Unternehmensgründung und über das Konzept ihrer Produkte und Dienstleistungen gesprochen. Das im Salzburger Piesendorf ansässige Unternehmen Hyto etwa hat speziell für das Spitals- und Pflegewesen einen neuen hygienischen Toilettsitz entwickelt; Peter Mayr, Mitbegründer und Geschäftsführer erläuterte uns Funktionalitäten und Zielgruppen.

Innovation über externe Expertise
Der Salzburger Jungunternehmer und Hotellerieexperte Marius Donhauser gründete bereits mehrere Internet-Portale und betreibt nun mit „Hotelkit“ eine speziell auf Tourismus und Hotellerie zugeschnittene Projekt- und Personalmanagement-Plattform. Und Christian Rieger, Gründer und Geschäftsführer von „Scroc“ aus dem oberösterreichischen Wolfern hat eine neue Art von funktionaler Sportbekleidung entwickelt. Nach einem kaufmännisch bedrohlichen Erlebnis mit einem Payment-Provider kurz nach der Gründung, wechselte Rieger mit seinem Scroc-Shop kürzlich zu Wirecard.
„Man muss sich zu hundert Prozent verlassen können und das war und ist bei Wirecard der Fall“, so sein Kommentar zur bisherigen Zusammenarbeit mit dem auch international führenden Zahlungsdienstleister. Allen Unternehmen gemein ist, dass die Produkte und Dienstleistungen ausschließlich über den Internet-Shop vertrieben werden und Wirecard CEE für die kompletten Abrechnungs- und Bezahlvorgänge verantwortlich zeichnet.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 05.11.2018

Finanzierungsboom bei österreichischen Start-Ups

Finanzierungsboom bei österreichischen Start-Ups© piqs.de/bob jagendorf

Das Volumen der Start-Up-Finanzierungen in Österreich hat sich im vergangenen ersten Halbjahr mit 103 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Wien verbessert sich im europäischen Ranking, wo London vor Berlin und Paris beim Finanzierungsvolumen an der Spitze liegt. Die Zahl der Finanzierungen stieg von 17 auf 28, so die Ergebnisse des Start-Up-Barometers des Unternehmensberaters EY.

Wesentlich für den Zuwachs war das Investment über 41 Mio. Euro in das Wiener Reise-Start-Up Tourradar. Die zweithöchste Finanzierungsrunde im ersten Halbjahr schaffte das Kärntner Videostreaming-Start-Up Bitmovin mit 25 Mio. Euro, gefolgt vom Wiener Impfstoff-Entwickler Themis Bioscience (10 Mio. Euro), dem Wiener Sportsoftware-Start-Up Eversports (5 Mio. Euro) und dem niederösterreichischen "HD Vinyl"-Start-Up Rebeat (4 Mio. Euro).

Finanzierungen quer über alle Branchen
"Die österreichische Start-Up-Szene hat sich nach einem starken Jahr 2017 auch im ersten Halbjahr 2018 sehr lebhaft entwickelt", so Thomas Gabriel, Leiter der Start-Up Division bei EY Österreich. „Die Finanzierungen sind auch in der Breite besser geworden. Es gab quer über alle Branchen Kapitalspritzen für Jungunternehmen und das ist ein Beweis für die Vielfältigkeit der österreichischen Szene“, unterstreicht Gabriel.
Beim EY-Barometer werden öffentlich bekannte Meldungen über Finanzierungsrunden ohne Anspruch auf Vollständigkeit in Zusammenarbeit mit einem externen Analystenteam ausgewertet. Im ersten Halbjahr 2018 waren dies europaweit 1.995 Finanzierungen (plus 19 Prozent) in Höhe von 10,2 Mrd. Euro (plus 27 Prozent). Finanzierungsrunden ohne konkreten Betrag ("undisclosed") wurden ebenfalls gezählt.

Europäisches Ranking
Im Städteranking lag London beim Finanzierungsvolumen vor Berlin und Paris. Wien verbesserte sich gegenüber der Vorjahresperiode von Platz 23 auf 17. Europaweit die höchste Finanzierung im ersten Halbjahr erhielt das Berliner Online-Gebrauchtwagen-Start-Up Auto1. Der japanische Telekomkonzern Softbank investierte rund 460 Mio. Euro in Auto1. Auf Platz zwei schaffte es das britische FinTech-Start-Up Revolut, das umgerechnet 207 Mio. Euro einsammeln konnte. Danach folgt der Berliner Online-Möbelhändler Home24 (172 Mio. Euro) und das britischen Fintech Atom Bank (169 Mio. Euro).

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APA-Science/red/mc, Economy Ausgabe Webartikel, 05.11.2018

Neue Initiative für Digitale Bootcamps

Neue Initiative für Digitale Bootcamps© piqs.de/randy robertson

1,4 Millionen Euro des BM für Digitalisierung und Wirtschaft für neue Ausbildungsschiene mit Schwerpunkt auf Artificial Intelligence, Big Data, Data Engineering und Blockchain.

Fachkräftemangel, die Arbeitsplatzsicherung durch Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, der Aufbau von Wissen sowie die Schaffung von Netzwerken mit Unternehmen und Hochschulen sind die Parameter der vorerst als Pilotprojekt angelegten Digitalen Bootcamps.
„Der Fachkräftemangel ist ein zentrales Thema für unsere Betriebe, während gleichzeitig die Anforderungen an die Mitarbeiter durch die Digitalisierung steigen. Mit den Digitalen Bootcamps wollen wir gegensteuern und frischen Wind in die berufliche Aus- und Weiterbildung bringen“, sagt Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaft.

Berufsbegleitende Ausbildung und neue Geschäftsmodelle
Über einen Zeitraum von vier Monaten als berufsbegleitende Ausbildung (bei neun Wochen reiner Ausbildungszeit) soll Wissen in den Schwerpunktbereichen Artificial Intelligence, Big Data, Data Engineering oder Blockchain vermittelt werden. „Wichtig ist, dass die Schulungen praxisnah sind, sonst bringen sie zu wenig Mehrwert“, so Schramböck.
In Gruppen von bis zu 20 Personen (aus mindestens fünf Unternehmen), die sich in Branchenschwerpunkten wie etwa Life Science oder Automotive zusammenfinden können, bietet sich den Teilnehmern die Möglichkeit zur Weiterbildung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. „Wir holen Innovation in die Unternehmen und spannen ein Wissensnetzwerk zu anderen Unternehmen und Hochschulen“, unterstreicht die Digital- und Wirtschaftsministerin.
Die Ausschreibung für drei bis fünf als Pilotprojekt anlaufende Bootcamps startet noch im November und dafür stehen 1,4 Millionen Euro zur Verfügung. Nach einer eingehenden Evaluierung sollen die Angebote 2019 skaliert werden. „Mit den Bootcamps können Unternehmen ihre IT-Kompetenzen steigern und damit auch ihre Digitalisierungsagenden vorantreiben“, resümiert Schramböck.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 05.11.2018

Die österreichischen Herausforderungen der Zukunft

Die österreichischen Herausforderungen der Zukunft © piqs.de/sacchero

Wissenschaft und Weiterbildung als Grundlage und Instrument zur Weiterentwicklung der Gesellschaft, die durch Digitalisierung, Migration, gestiegene Lebenserwartung und rasante Veränderungszyklen vor großen Herausforderungen steht.

Von 18. bis 19. Oktober 2018 fand an der Alten Universität Graz auf Einladung des Steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer zum zweiten Mal die Zukunftskonferenz „Österreich 22 - Überlegungen zu unserer Republik im 21. Jahrhundert – Aufgaben, Ziele, Herausforderungen. Neue Impulse“ statt. Die Konferenz brachte Wissenschaft und Medien, Wirtschaft und Kultur sowie Politik und Kunst zusammen um gemeinsam neue Perspektiven für Österreich zu erarbeiten. Vertreter der Donau-Universität Krems waren Friedrich Faulhammer als Rektor und Gottfried Haber.

Die Republik Österreich im 21. Jahrhundert
Hermann Schützenhöfer initiierte bereits im Herbst 2016 das Symposium „Österreich 22“ mit dem Ziel einer Standortbestimmung der Republik sowie kurz- und langfristige Ideen und Visionen für die Zukunft zu erarbeiten. Auf der aktuellen Nachfolgekonferenz wurden nun die Entwicklungen und Maßnahmen des seinerzeitigen Symposiums reflektiert und in Anbetracht der globalen Entwicklungen weiterführende Überlegungen zur Republik Österreich im 21. Jahrhundert getroffen.

Die Sicherung von Prosperität
Friedrich Faulhammer sieht im Zuge der Digitalisierung, Automatisierung, Migration, der alternden Gesellschaft sowie der exponentiell beschleunigten Veränderungszyklen im globalen Wettbewerb wissenschaftliche Weiterbildung als ein wesentliches und teilweise noch zu wenig beachtetes und genütztes Instrument zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und zur Sicherung von Prosperität. Gottfried Haber brachte in einem Vortrag seine Perspektiven zum Thema „Wirtschaft, Soziales und Ökologie“ ein, um „die neuen Herausforderungen der Republik zu bewältigen“.

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red/mc, Economy Ausgabe Webartikel, 05.11.2018
Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung 25.07.2024
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Transmediale Kunst als Zukunft der Demonstration

Transmediale Kunst als Zukunft der Demonstration© piqs.de/david shankbone

Gemeinsame Imagination und Aktion statt getrennter Darstellung von Kunst und Diskurs in Ausstellungen. Die Medienkünstler Sylvia Eckermann und Gerald Nestler definieren mit Partnern ein transmediales Kunstformat, wo bildende Digitalkunst, Skulptur, Video, Sound, Performance, Aktionismus sowie Text und Gespräch als choreografische Inszenierungen ineinander fließen.

(Christian Czaak) The Future of Demonstration nimmt Anleihe beim Format populärer Fernsehserien mit ihren Seasons und Episodes. Jede Season betrachtet ihr Leitmotiv wie durch ein Prisma, spaltet es in Episoden auf und verbindet diese wieder in vielfältigen Beziehungen. Jede Episode stellt sodann eine Plattform dar, auf der sich Kompetenzen aus Kunst, Architektur, Film, Theorie, Wissenschaft und Aktion performativ verschränken. Jede Episode ist daher entsprechend performativer Raum, installatives Setting, künstlerisches Environment, Diskursraum und Filmset.
Das von Sylvia Eckermann und Gerald Nestler konzipierte Kunstformat „The Future of Demonstration“ ist eine über 2017 und 2018 laufende Kunstserie und beinhaltet in Summe acht Episoden zu den zwei Leitmotiven „Vermögen“ (im Vorjahr) und „Passion“ nun heuer. Die Episoden stehen für je zwei Tage im Zentrum des Geschehens, sind aber während der gesamten Dauer präsent. So verbinden sie sich zu einem Setting, das unterschiedliche Perspektiven öffnet.

Von Wien nach München und Sao Paulo
2017 wurde „Vermögen“ mit den fünf Episoden „Ground Truth & Forensic Architecture“, Alien Introspection“, „Narutica“, „Liveration.Prometheus Delivered“ und „Proof-Of-Burn“ im Wiener Reaktor abgehandelt, die gleichnamige Lichtshow von Sylvia Eckermann lief am Uniqa-Tower. Heuer gastierte der Kunstact mit dem Leitthema „Passion“ von 20. bis 25. Oktober im Wiener Atelier Augarten und die parallel von Sil Eckermann gestaltete Lichtshow „Escalator“ passierte wieder am Wiener Uniqa-Tower. Die Themen der diesjährigen drei Episoden waren „Supra-Citizenship“, „Was tun?“ und „Making the Black Box Speak“.
Nach Wien wandert The Future of Demonstration mit den Episoden „Proof-Of-Burn“ aus 2017 sowie „Supra Citizenship“ und „Making the Black Box Speak“ aus 2018 nach München (2. bis 4. November als Kooperation von Art in Move mit dem Mufftawerk) und danach wird mit Technolpolitics Research Group in Sao Paulo (BRA) das Projekt „Tracing Information Society – a Timeline“ gezeigt (7. bis 9. November).

Der neue Informationskapitalismus
Ausgangsbasis für das Leitthema „Vermögen“ im Vorjahr war das Spannungsfeld zwischen einer Fülle an Problemen und Herausforderungen des Planeten Erde und gleichzeitig vorhandenem Wissen und Ressourcen diese zu meistern. Der künstlerische Ansatz passiert auf der Mehrdeutigkeit des Begriffs „Vermögen“ mit Besitz und Verwertung von Daten als neue Grundlage dafür und Algorithmen und Automatisierung, die tief in gesellschaftliche Prozesse eindringen. Die neue Wirklichkeit beruht auf quantitativen Modellen, die entsprechend Realitäten simulieren und vorausberechnen, so die Ausstellungsmacher im begleitenden Programmtext.
„In diesem neuen Informationskapitalismus verschieben sich die Handlungsräume und selbst kritisches Denken und Hinterfragung wird für Wettbewerbsvorteile politischer und wirtschaftlicher Akteure instrumentalisiert“, so Eckermann und Nestler. The Future of Demonstration stellt nun diese Entwicklungen in Frage und kreiert und teilt neue Bilder, Geschichten und Techniken, die als Gegenentwurf zu den künstlich automatisierten Wirklichkeitssimulationen dienen können.
Über die Interaktion von Kunst, Technologie und Gesellschaft schaffen Eckermann und Nestler ein neues Format einer künstlerischen Demonstration, wo Technologie für das „präsentieren und weiterentwickeln“ steht, die Pädagogik für „deutlich machen“ und Gesellschaft „für etwas eintreten“.

Fiktionen einer völlig anderen Wirklichkeit
Künstler, Aktivisten, Architekten, Filmemacher, Theoretiker und Wissenschaftler untersuchen dabei forensisch Quellen und Konsequenzen von Gewalt, spüren ideologische Sollbruchstellen auf und auf Basis einer extremen künstlerischen Imagination als Destillat neuester technologischer und wissenschaftlicher Entdeckungen entwerfen sie Fiktionen einer völlig anderen Wirklichkeit.
Im Ergebnis schaffen sie eine neue Währung und neues Vermögenspotential. Vermögen ist dabei aber nicht nur das Leitmotiv, es ist auch die bestimmende, emphatische Energie dieses kollektiven Experiments. „Mitwirkende und Publikum sollen gemeinsam spannungsvolle und unterhaltsame Demonstrationen feiern und dabei ausloten, was wir miteinander tun und erreichen können“, so Eckermann und Nestler.

Von Kant und Bourdieu zu Eckermann und Nestler
„Nach der Beschäftigung mit den „Vermögen“ für eine neue Kultur und Kunst interessierte uns heuer die Frage, was Leidenschaft in einem (bio-)technologischen Zeitalter vollbringen kann, das durch eine zukunftsorientierte und affektgesteuerte Ökonomie der Beziehungen geprägt wird“, so die künstlerischen Leiter. Basis war auch eine These von Immanuel Kant nach der „jedes Vermögen auf Erkenntnisvermögen, Begehrungsvermögen und dem Gefühl der Lust und Unlust basiert.“ „Von daher verstehen wir „Passion“ als ein emphatisches Vermögen, das sich selbst gebiert und reproduziert“, so eine Textpassage im Programmheft.

Und weiter: „Wenn laut Pierre Bourdieu „Vermögen verinnerlichte Kultur“ ist, stellt sich die Frage, wie wir „kulturelles Kapital“ zu kulturellen Vermögen verwandeln. Hier spielt der Begriff der Passion eine zentrale Rolle: als Verlangen nach Selbstverwirklichung, durch die sich das Selbst verwandelt; aber auch als Kraft, die uns in der Lage versetzt, die Ichbezogenheit zu überwinden, die den Kern kapitalistischer Wertschätzung bildet“, so die Erläuterung der Zusammenhänge zwischen den beiden Leitthemen der Kunstserie.

Noise is the Master of Information
Die Beschäftigung mit dieser konkreten Utopie kann aber nur auf Basis einer Auseinandersetzung mit dem Status Quo erfolgen. Denn es geht ein Riss durch die Informationsmatrix. Wissen und Wahrnehmung insgesamt werden als Wettbewerbsvorteil ausgebeutet. Informationsasymetrie als ein Begriff, der auf Spaltung, Diskriminierung und Täuschung hinausläuft, bestimmt zunehmend politische und ökonomische Netzwerke und Interessen: noise is the master of information, so ein weiterer Auszug aus dem Programmtext.
The Future of Demonstration setzt sich daher auch mit Gewaltformen in einer hyperkompetitiven Gesellschaft auseinander, thematisiert Unvermögen als Resultat manipulativer Medialität. Das heurige Leitthema „Passion“ verweist auf die Aushöhlung und Verweigerung demokratischer Rechte, die Volatilität prekärer Lebensbedingungen und die Zerstörung freier Handlungspotentiale.
Fragen werden erörtert wie: Wie stellt sich Zwischenmenschlichkeit dar, die Zwischendinglichkeit mitdenkt, mitfühlt und mitagieren lässt? Welche Methoden können für eine künstlerische, philosophische, soziale und technologische Annäherung von humanen und non-humanen Wesen entwickelt und demonstriert werden? Und wie können sie gemeinsam als Mediatoren, Moderatoren und Produzenten zu Gemeinschaften beitragen, anstatt antiquierten Machtphantasien in Politik und Ökonomie zu dienen?

Die Episoden „Supra Citizenship“ und „Was tun?“
„Passion“ als diesjähriges Leitthema von The Future of Demonstration beinhaltete die Episoden „Supra Citizenship“ sowie „Was tun?“ und „Making the Black Box Speak“ (siehe dazu gesonderten Bericht)
„Supra Citizenship“ behandelt das Thema Staatsbürgerschaft (citizenship) als Vertrag zwischen dem Bürger als Subjekt und dem Nationalstaat der zunehmend nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Globale Migrationsströme sowie globale digitale Plattformen, die über ihre Nutzer herrschen und zunehmend souverän agieren, während Nationalstaaten nun auch zu Plattformen transferieren, die ihre Staatsbürger als Kunden behandeln und ihnen Dienstleistungen anbieten, sind die Ursachen dafür.
„Staatsbürgerschaft wird einerseits finanzialisiert, um Kapital und Investitionen anzulocken und gleichzeitig unterminieren Steuererleichterungen, Offshoring und E-Residencies für Unternehmen die Kategorie des steuerlichen Wohnsitzes. Andererseits fragmentiert der Begriff in unterschiedliche Formen digitaler Zugehörigkeit und Mitwirkung, wie etwa in Online-Communities“, erläutern Eckermann und Nestler. „In Blickrichtung dieses Wandels erscheint es uns als essentiell, loszulassen, was in dieser Realität nicht mehr seinen Zweck erfüllt – ohne dabei alles über Bord zu werfen.“
Supra Citizenship integriert nun Wissen und Erfahrungswerte etablierter Organisationsformen mit den Ressourcen und Möglichkeiten technologischer Plattformen und einem für das 21. Jahrhundert aktualisierten Verständnis der Menschenrechte – als eine vernetzte Vision von Bürgerschaft mit dem gesicherten Recht des Individuums sich in einer gemeinsamen Welt einzurichten. Zielsetzung ist eine vernetzte Vision von Bürgerschaft zu mobilisieren, die das Recht jedes Menschen sichern soll, sich in einer gemeinsamen Welt einzurichten.

„Was tun?“
Die Episode „Was tun?“ behandelt wiederum Maschinencodes, welche die Grenzen von Körpern unterwandern und die Horizonte des Bewusstseins gestalten. „Algorithmische Regeln automatisieren einstmals bewusste Entscheidungen und kolonisieren die menschliche Vorstellungskraft. Während die tiefe Erosion existentieller Gewissheiten vermeintliche und reale Bedrohungen freisetzt, verbreiten sich reaktionäre Regime in einem grundlegenden Wandel realer und virtueller Territorien“, so der Textabschnitt in der Erläuterung zur Veranstaltung.
„Was tun?“ untersucht nun die Logik dieser automatisierten künstlichen Systeme und fragt, wie sich der okkulte Schutz von Kontrollsystemen umgehen lässt, die pfadgeleitetes Denken, persönliches Verhalten und soziale Interaktion gestalten – oder: was geschieht jenen, die den Weg des geringsten Widerstands verweigern, um den dunklen Beschwörungen der Wahrnehmung in endlosen Nervensystemen nachzuspüren?
Im nächsten Schritt werden nun informationelle Strukturen und ihre Regeln hinsichtlich der Auswirkungen auf menschliche Handlungsmöglichkeiten in sozialen, politischen und ökonomischen Wechselbeziehungen analysiert und in kollektiven Praktiken kultureller Informationsverarbeitung werden schließlich operative
Räume und umsetzbare Modelle von „Was tun?“ untersucht.

Die dritte Episode und das Team der Mitwirkenden
Die dritte Episode „Making the Black Box Speak“ erforscht sodann neue Vermögen von Widerstand und Solidarität in einer vom Akzidentiellen geprägten Zeit und erörtert primär das Thema Technokapitalismus und die daraus entstehende Krise der repräsentativen Demokratie. Siehe dazu den nebenstehenden Bericht „Making the Black Box Speak.“
Mitwirkende bei „Supra Citizenship“ waren Domingo Castillo, Femke Herregraven, Victoria Ivanova, Aslak Aamot Kjaerulff, Bogna Konior, Jonas Lund, Jamilah Sabur, Alex Suarez, Axel Stockburger und Natalia Zuluaga.
Mitwirkende bei „Was tun?“ waren: Cultural Intelligence Collective (CIC), Critical Art Ensemble (CAE) und namentlich Steve Barnes, Konrad Becker, Laurus Edelbacher, Steven Kurtz, Anastasya Voloshina und Ruth Zimmermann. Special Guest Appearance: Ca.tter, DJ Nigga Fox, Domnique Raffa, Stacey Robinson und Alexander Schelle.

Die künstlerische Gesamtleitung
Die künstlerische Gesamtleitung verantworten Sylvia Eckermann, Gerald Nestler und Maximilian Thoman. Zu Sylvia Eckermann siehe nebenstehenden Bericht „Es gibt noch unendlich viel zu tun.“
Gerhard Nestler verbindet künstlerische Mittel mit Theorie und Gesprächsformen um die Erzeugung gesellschaftlicher Realität durch Modelle, Technologien und Fiktionen der Finanzmärkte und anderer algorithmischer Praxen zu untersuchen. Neben seiner internationalen künstlerischen Tätigkeit ist er auch als Autor und Vortragender tätig. Nestler promovierte am Centre for Research Architecture, Goldsmiths, University of London.
Maximilian Thoman ist künstlerischer Leiter des Vereins mkt – Büro für intermedialen Kommunikationstransfer und Vorstandsmitglied des spartenübergreifenden Innsbrucker Kulturvereins p.m.k – Plattform mobile Kulturinitiative. Neben diversen kuratorischen Tätigkeiten zu Ausstellungsprojekten und Vortragsreihen ist er seit Dezember 2015 im editoral board des Online Magazins continent. Thoman studiert Philosophie und lebt in Innsbruck und Wien.

Die Projektpartner und Förderer
The Future of Demonstration kooperiert mit einer Vielzahl Wiener und internationaler Akteure und Institutionen. Die Kunstserie versteht sich dabei als Schnittstelle, um alle diese Partner auf regionaler wie internationaler Ebene in Kontakt zu bringen und Wien im Sinne eines explorativen Kooperationsgedankens als Ort relevanter Kunstproduktion zu etablieren.
Die Kooperations- und Projektpartner sind Burghauptmannschaft Österreich (Atelier Augarten), OKTO TV & Community, Stromschiene (Alte Schmiede Kunstverein Wien) und Universität für Angewandte Kunst (Digitale Klasse) sowie auf internationaler Ebene das Art Center South Florida in Miami (US), Cultural Intelligence Collective (CIC), Tactical Technology Collective (Berlin) und Technopolitics Research Group (Wien).
Medienpartner sind Ö1, springerin (Hefte für Gegenwartskunst) und continent, the Plattform for thinking through media. Unterstützt und gefördert wird das Projekt von der Stadt Wien (MA 7 Kultur und Wissenschaft) und vom Bundeskanzleramt sowie von den Unternehmen UNIQA, Austrian Airlines, Fleming’s Selection Hotel Wien, LDDE Lichttechnik, Café Korb, Weingut Himmelblauer und zepp-cam. (red/czaak)

(Anm. der Redaktion: Einzelne Textpassagen wurden vom Programmheft der Kunstserie „The Future of Demonstration“ übernommen.)

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 02.11.2018

Wenn Nervenbahnen Autos einparken

Wenn Nervenbahnen Autos einparken© piqs.de/db3em

Neuronale Netze auf Basis natürlicher Nervenbahnen dienen oftmals als Vorbild bei Künstlicher Intelligenz. Die TU-Wien entwickelt nun einen neuen Ansatz für die Programmierung derartiger Strukturen und nimmt dabei Anleihe bei Würmern.

Im Vergleich zu einem Computerprogramm funktioniert ein natürlich gewachsenes Gehirn unterschiedlich. Hier kommuniziert ein Netz von Zellen und Bahnen, dort passieren Befehle auf klaren und logisch basierten Anwendungen. Spannend ist nun eine Art Transfer, wo gehirnähnliche Netze am Computer nachgebildet werden um Aufgaben zu lösen, die sich eben nicht in logische Befehlsketten zerlegen lassen.
Die TU Wien hat nun einen neuen Ansatz für die Programmierung solcher neuronaler Netze entwickelt und definiert dabei die zeitliche Entwicklung der Nervensignale anders als bisher. Anleihe für das Konzept holte man sich bei einem einfachen wie gut erforschten Lebewesen aus dem Reich der Würmer, namentlich beim Fadenwurm C.elegans. Dessen Gehirn wurde nun am Computer simuliert und mit speziellen Lernalgorithmen angepasst.
Trotzdem das nun entsprechend wurmtechnisch inspirierte Netzwerk nur über 12 Neuronen verfügte, könnte es in einer Simulation trainiert werden ein Auto an einen vorher definierten Ort manövrieren. Aus mathematischer Sicht lässt sich auch die Vielseitigkeit derartiger neuronaler Netz belegen. Sie lassen sich zudem gut erforschen und verstehen, ganz im Gegensatz zu den nützlichen aber oftmals undurchschaubaren „Black Boxes“ bisheriger neuronaler Netze, so die TU Wien in einer Aussendung.

Signale in verzweigten Netzen
„Neuronale Netze müssen zuerst trainiert werden“, erklärt Ramin Hasani von Institut für Computer Engineering der TU Wien, der diese Arbeit bei der aktuellen TEDx-Konferenz in Wien präsentierte.
„Man liefert einen bestimmten Input und passt die Verbindungen zwischen den Neuronen so an, dass am Ende möglichst zuverlässig der richtige Output geliefert wird“, erläutert Hasani.
Der Input kann dabei etwa ein Bild sein - und der Output der Name der Person, die darauf zu sehen ist.
„Die Zeit spielt bei diesem Vorgang normalerweise keine Rolle“, so Radu Grosu vom Institut für Computer Engineering der TU Wien. „Bei den meisten neuronalen Netzen wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der gesamte Input geliefert und daraus ergibt sich sofort ein bestimmter Output. In der Natur ist das aber ganz anders“, unterstreicht Grosu.
Ein zeitabhängige Aufgabe in Reaktion auf eine sich laufend ändernde Umgebung sind beispielsweise Spracherkennung, Simultanübersetzungen oder Bewegungsabläufe. „Mit sogenannten RNN (Recurrent-Neural-Networks) können solche Aufgaben besser gelöst werden“, sagt Ramin Hasani. „Diese Architektur bildet Zeitabläufe besser ab, weil sie dafür sorgt, dass sich die Nervenzellen merken, was bisher passiert ist.“ In einem gewöhnlichen RNN-Modell gibt es eine unveränderliche Verbindung zwischen Neuron eins und Neuron zwei und die definiert, wie stark das eine Neron die Aktivität des anderen beeinflusst. „In unserem neuartigen RNN ist diese Verbindung eine nichtlineare Funktion der Zeit“, so Hasani.

Wenn sich nun Zellaktivität und Verbindungen zwischen den Zellen mit der Zeit verändern können, eröffnet das völlig neue Möglichkeiten. Um die Vielseitigkeit derart neuer neuronaler Netze zu demonstrieren, entwickelte das TU-Team ein spezielles kleines Neuro-Netzwerk: „Wir bildeten das Nervensystem des Fadenwurms nach, um den einfachen Reflex des Rückzugsverhalten bei Berührung zu realisieren“, erklärt Mathias Lechner, aktuell tätig am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg.
Hasani, Lechner und ihre Kollegen konnten somit mathematisch belegen, dass sich mit dieser Methode prinzipiell neuronale Netze mit beliebiger Dynamik erzeugen lassen. Und trotz kleiner Umfänge mit nur 12 Nervenzellen, kann das entsprechend trainierte Netz auch komplexe Vorgänge wie Einparken eines Kfz lösen. „Das neuronale Netz, das in der Natur die Bewegung des Fadenwurms steuern würde, wird bei uns in das Lenken und Beschleunigen des Fahrzeugs umgesetzt“, sagt Hasani. „Wir beweisen somit, dass sehr einfache neuronale Netze komplizierte Aufgaben in einer physisch realen Umgebung lösen können.“
Die neue Methode bietet zudem einen besseren Einblick in die Funktionsweise neuronaler Netze: Während man bei bisherigen neuronalen Netzen tausenden Knotenpunkten nur Ergebnisse analysieren kann und die inneren Abläufe unüberschaubar komplex sind, lässt sich beim kleineren aber leistungsfähigen Netz der TU Wien zumindest teilweise verstehen, welche Nervenzellen welche Effekte hervorrufen. „Für die Forschung und die weitere Verbesserung des Konzeptes ist das ein großer Vorteil“, betont Ramin Hasani.
Ob nun künstliche Würmer zukünftig Autos einparken oder nicht, wird sich zeigen. Real und ernsthaft jedoch belegt das aktuelle Projekt, dass künstliche Intelligenz mit der richtigen Architektur deutlich leistungsfähiger ist als bisher angenommen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 02.11.2018

„Making the Black Box Speak.“

„Making the Black Box Speak.“© Syl-Eckermann.net

Künstlerische Demonstration versus künstlich automatisierte Wirklichkeitssimulation. Die Medienkünstlerin Sylvia Eckermann behandelt beim heurigen Act der Kunstserie „The Future of Demonstration“ in der Episode „Making the Black Box Speak“ das Thema Technokapitalismus und die daraus entstehende Krise der repräsentativen Demokratie.

(Christian Czaak) Im Leben eines Journalisten gibt es manchmal Momente, wo der grundsätzlich immer angebrachte Respekt vor einem zu beschreibenden Inhalt in Angespanntheit wechselt. Das ist dann der Fall, wenn dieser Inhalt auf einem überaus hohen qualitativen Niveau passiert - und man entsprechend bemüht ist diesem Niveau auch in der Transkription zu entsprechen.
Im Falle der aktuellen textlichen Wiedergabe der von Sylvia Eckermann und Gerald Nestler erdachten und gemeinsam mit Maximilian Thoman sowie zahlreichen themenspezifisch spezialisierten Protagonisten umgesetzten Kunstserie „The Future of Demonstration“ ist daher die subjektive Betrachtung und Wiedergabe als kritischer Mensch und Kunstkonsument sicherer. Auch wenn das Urteil als Kunstkritiker weitaus einfacher wäre: Beeindruckendste Kunstform und Kunstact seit Jahren, auch nach Besuchen diverser Biennalen, heimischer Kunsthallen und Museen moderner Kunst, Baseler Kunstmessen oder gar (kontinuierlich flacher) Open Spaces heimischer Kunstuniversitäten.

Neue Kunstserie mit zwei Leitthemen und acht Episoden
„The Future of Demonstration“ ist eine über 2017 und 2018 laufende Kunstserie und beinhaltet in Summe acht Episoden zu den zwei Leitmotiven „Vermögen“ (im Vorjahr) und „Passion“ nun heuer. Siehe dazu nebenstehenden Bericht „Transmediale Kunst als Zukunft der Demonstration.“
2017 wurde „Vermögen“ mit fünf Episoden im Wiener Reaktor abgehandelt, die gleichnamige Lichtshow von Sylvia Eckermann lief am Uniqa-Tower. Heuer gastierte der Kunstact mit dem Leitthema „Passion“ nun von 20. bis 25. Oktober im Wiener Atelier Augarten und die parallel von Sylvia Eckermann gestaltete Lichtshow „Escalator“ passierte wieder am Wiener Uniqa-Tower. Die Themen der diesjährigen drei Episoden waren „Supra-Citizenship“, „Was tun?“ und „Making the Black Box Speak“.

Gemeinsame Imagination und Aktion in den Vordergrund
Economy war am 24. Oktober zur Episode „Making the Black Box Speak“ eingeladen und erfuhr dabei von Sylvia Eckermann auch das grundsätzliche Konzept der Kunstreihe: „Wir lehnen die klassische Trennung von Kunst und Diskurs in Ausstellung, Konferenz und Dokumentation ab. Stattdessen stellen wir gemeinsame Imagination und Aktion in den Vordergrund“, so Eckermann. „Kunst, Theorie und Technologie werden gemeinsam zu Foren der Auseinandersetzung, die aktuelle Fragen und Entwicklungen der Zeit jenseits von Disziplinengrenzen erörtern.“
Die einzelnen Episoden stellen jeweils eine Plattform dar, auf der sich Kompetenzen aus Kunst, Architektur, Film, Theorie, Wissenschaft und Aktion performativ verschränken. Jede Episode ist sodann performativer Raum, installatives Setting, künstlerisches Environment, Diskursraum und Filmset. „Die Mitwirkenden arbeiten auf Basis ihrer jeweiligen Kompetenzen und Erfahrungen zusammen. Sie bilden Allianzen und gehen gemeinsam der Frage nach, was die Formate, Werkzeuge, Diskurse und Plattformen der Kunst des 21. Jahrhunderts vermögen“, so Eckermann weiter.

Das neue Vermögen von Widerstand und Solidarität
Die Episode „Making the Black Box Speak“ wurde künstlerisch primär von Eckermann konzipiert und beinhaltete mit bildender Videokunst, Gesang, Performance, Diskussion, Besucherinteraktion und Aktionismuseinlagen zahlreiche dramaturgisch und inhaltlich aufeinander abgestimmte Elemente. Die einzelnen Szenen und künstlerischen Elemente liefen mitten unter den rund 250 Besuchern ab und integrierten sie gleichzeitig als von den erörterten Themen Betroffene und künstlerisch Mitwirkende. Diskursive und interaktive Kunst in Bestform. Zur besseren Veranschaulichung dient das beigefügte Video.
Inhaltlich wiedergegeben erforscht „Making the Black Box Speak“ das neue Vermögen von Widerstand und Solidarität in einer vom Akzidentiellen geprägten Zeit. „Die Logik der Black Box erzeugt dabei neue Machtungleichgewichte, wo Information zunehmend verschleiert oder manipuliert wird - und so der Allgemeinheit entzogen. Informationsasymmetrien erweisen sich als probate Mittel, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen, Risiken auszulagern und Einflusssphären zu erweitern“, erläutert Eckermann.

Der Technokapitalismus und die Krise der repräsentativen Demokratie
Indem der Technokapitalismus politische und ökonomische Handlungspotentiale beschränkt und neue Methoden der Ausbeutung und Diskriminierung schafft, stürzt er die repräsentative Demokratie in eine tiefe Krise. „Die Verlagerung von repräsentativen zu performativen Manifestationen von Macht erzeugt eine Realität, in der soziale Beziehungen und Klassen neu arrangiert werden“, so die Medienkünstlerin weiter.
Im nächsten Schritt ist der Zugang zur Black Box mittels direkter Aktion und Kritik nun jedoch versperrt und die Black Box unterbricht nicht nur den Fluss der Information, sie operiert prinzipiell verdeckt und diskret. Um dagegen mobil zu machen, fokussiert diese dritte Episode sodann auf den englischen Begriff Resolution – und dieser verweist auf das, was wir sehen und erkennen und somit neben Bildauflösung auf Wissensproduktion, Entscheidungsfindung und – wie im Deutschen – gemeinsamen Beschluss.

Eine Allianz als strategische Neuausrichtung
Um nun die Black Box „zum Sprechen zu bringen“ braucht es eine strategische Neuausrichtung in Form einer Allianz mit der prekären Figur der renegade, die sich beispielsweise als WhistleblowerIn oder AktivistIn vom System abwendet. Häufig als VerräterIn gebrandmarkt, sind seine/ihre Enthüllungen jedoch heute ein unerlässlicher Beitrag zur Aufklärung und in dieser Ambivalenz und Marginalität verkörpert der/die VerräterIn die revolutionäre Figur unserer Zeit.
„Was heute auf dem Spiel steht und sich unsichtbar in uns einschreibt betrifft uns geistig wie körperlich, affektiv wie sozial, materiell wie performativ“, betont Eckermann. Die Episode demonstriert daher, wie der semantische Reichtum von Resolution in Allianz mit Renegade Activism Wissen und Handlungspotentiale herstellen kann – und zitiert dazu auch die US-Naturwissenschaftlerin und Frauenforscherin Donna Haraway mit „Staying with the trouble‘ by raising trouble.“

Die Ablöse etablierter Formen von Kritik
In Summe untersucht „Making the Black Box Speak“ wie man gegen Informationsasymmetrien vorgehen kann. „Es geht darum, etablierte Formen von Kritik – gerade auch in der Kunst – durch neue Strategien gemeinsamer Auflehnung abzulösen“, resümiert Sylvia Eckermann.
Die Mitwirkenden bei „Making the Black Box Speak“ waren: Haim Bodek, Sylvia Eckermann, Maya Indira Ganesh, Florentina Holzinger, Volkmar Klien, Gerald Nestler, Peng! Collective, Denis „Jaromil“ Roio, Solucat E-Phife, Technopolitics Research Group, Übermorgen feat., Zenker & Stefer Endres. Die Gesangseinlage kam vom Vocal Ensemble Christine Gnigler, Lorina Vallaster und Joachim Rigler. Data bodis: Jon Eckermann und Elisa Winkler. Special Guest Appearance: Frank Pasquale.
Idee und künstlerisches Konzept stammt von Sylvia Eckermann und Gerald Nestler. Gemeinsam mit Maximilian Thomas verantworten sie auch die künstlerische Gesamtleitung. Das Video wurde in Zusammenarbeit mit OKTO TV umgesetzt.

(Anm. der Redaktion: Einzelne Textpassagen wurden vom Programmheft der Kunstserie „The Future of Demonstration“ übernommen.)

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 02.11.2018

„Es gibt hier noch unendlich viel zu lernen.“

„Es gibt hier noch unendlich viel zu lernen.“

Sylvia Eckermann beschäftigt sich künstlerisch seit Mitte der 1980er Jahre mit digitalen Räumen und multimedialen wie interaktiven Ausdrucksformen. Von Beginn weg orientiert sie sich dabei auch an globalen Entwicklungen. 2014 gewinnt sie als erste Künstlerin den neu geschaffen Medienkunstpreis der Stadt Wien und 2018 wurde sie mit dem Österreichischen Staatspreis für Medienkunst ausgezeichnet.

(Christian Czaak) Anlässlich des Besuchs ihrer aktuellen Kunstserie „The Future of Demonstration“ (siehe gesonderte Berichte) sprach economy mit der Künstlerin über die Initialzündung für die künstlerische Beschäftigung mit den Neuen Medien, über Medienkunst als klassische Kunstform und über aktuelle politische Rahmenbedingungen.

Economy: Was war die Initialzündung für die frühe Auseinandersetzung mit den neuen Medien aus künstlerischer Sicht?
Sylvia Eckermann: Ich gehöre zur Generation “Pre-Photoshop”, und da hat man Ende der 1980-iger Jahre nicht viel Relevantes gefunden, weder auf der Universität für Angewandte Kunst noch auf der Akademie mit ihren Phantastischen Realisten. Und Informatik auf der TU wollte ich nicht studieren.
Ich bin daher Autodidaktin, die bei Gangart Mitte der 1980er Jahre begonnen hat und Ende der 80er von dort direkt in die Medienkunst gewechselt ist.

Wie entstand dann der künstlerische Konnex mit Technologie?
Interesse und Beschäftigung mit den digitalen Medien, mit Medienkunst ging einher mit der Vision, dass sich durch neue digitale Technologien die Gesellschaft weiterentwickeln würde.
Und zwar hin zu einer demokratischen, offenen, diversen Gesellschaft, wo durch das Internet Grenzen, Herkunft, Geschlecht und Alter keine Rolle mehr spielen würden.

Ist Medienkunst eine klassische Kunstform?
Mich hat Medienkunst als Kunstform interessiert, weil sie von Anfang an mehr mit Forschung und Experimentieren zu tun hatte als mit jener Selbstreferenzierung, die in der klassischen Kunst sonst doch sehr typisch ist und die jenseits der Regeln des Kunstmarktes eine Existenz behauptet.

Damit betonst Du auch das Gemeinsame ...
... es geht hier um Kunst, die das “Künstlergenie” des Einzelkünstlers hinterfragt und andere Modelle der Zusammenarbeit etabliert.
Und somit zeigt, dass ein Werk durch die gemeinsamen Kompetenzen vieler entsteht.
Das Format für “The Future of Demonstration” das Gerald Nestler und ich entworfen haben und mit zahlreichen Experten vieler unterschiedlicher Disziplinen gemeinsam umsetzen, setzt direkt daran an. Es gibt in dieser Richtung noch unendlich viel zu lernen.

Wie siehst Du die aktuellen Rahmenbedingungen für die Kunst?
Wenn die Stadt Wien die Medienkunst als obsolet befundenen Begriff aufhebt und das Bundeskanzleramt Interdisziplinarität als unnötig ansieht und diese Förderschiene einstellt - dann wird die Zukunft ausschließlich von Konzernen bestimmt und Politik dreht die Gesellschaft revisionistisch in eine Zeit zurück, bevor individuelle und kollektive Freiheiten erstritten worden waren.

Der künstlerische Werdegang von Sylvia Eckermann
Anfangs beinhaltete das Wirken von Sylvia „Sil“ Eckermann (56) rein der Virtuellen Raum mit Installationen und Performances wie etwa fluID – Arena of Identities (Kulturhauptstadt Graz, 2003 und Forum Ludwig, 2005/2006), Expositur – a Virtual Knowledge Space (KIASMA Museum of Contemporary Art Helsinki, 2003) oder „Im neunten Himmel“ (Permanente Installation Kunstmeile Krems, 2008/2009).
In weiterer Folge interessiert sie dann zunehmend die Schnittstelle zwischen virtuellen und realen Räumen, es folgten Projekte wie etwa „Spiegelzellen“ (Ars Electronica bzw. Linzer Landesgalerie, 2007), „The Trend is your Friend“ (Kunsthaus Graz, 2009) oder „Naked Eye“, wo 2010 im Wiener Kunstraum Bernsteiner das Ephemere des Lichts an das reale Objekt gebunden und „Ausstellung“ als Dispositiv untersucht wurde.

Kritische Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen
Mit Beginn der 2010er Jahre treten dann immer mehr kritische Auseinandersetzungen mit (digital bedingten) gesellschaftspolitischen Entwicklungen in den Vordergrund und 2012 setzt Eckermann beim Wiener Festival for Digital Art and Culture die Lichtinstallation „Crystal Math“ um. Mittels eines aus vielen tausenden Metern Nylondrahts geknüpften Netzes als Projektionsfläche und „expressives Sprachnetz“ stellt sie dabei die Transformation und Ablöse der Finanzmärkte von Menschen hin zu Algorithmen dar.
Sylvia Eckermann gilt als Pionierin moderner Medienkunst und dazu gehören sehr früh auch digitale Spielmaschinen und die künstlerische Auseinandersetzung in Form von Installationen verschiedener Spielkünste, etwa bei der ISEA-Schau im Londoner Millenium Dome. Zwischen 1987 und 2018 folgen zahlreiche internationale Arbeits- und Ausstellungsstipendien, darunter etwa und chronologisch Italien, Japan, Kanada, England, China, Brasilien oder zuletzt die USA (2016/2017).

Erste Preisträgerin für Medienkunst der Stadt Wien 2014 und Gewinnerin Staatspreis Medienkunst 2018
2014 erhält sie als erste Künstlerin den neu geschaffenen Preis für Medienkunst der Stadt Wien, 2018 wird sie mit dem Österreichischen Staatspreis für Medienkunst ausgezeichnet – ein Preis der auch international etablierten KünstlerInnen für ihr Gesamtwerk verliehen wird und den vor ihr Peter Weibel (2017) oder Dorit Margreiter (2016) erhalten haben.
Das aktuelle Projekt in Form der Kunstserie „The Future of Demonstration widmet sich „den Umbrüchen, die wir heute auf ökologischer, gesellschaftlicher und kultureller Ebene erleben, und spürt dafür den ästhetischen, politischen, technologischen und pädagogischen Gestaltungsvermögen nach, die der Begriff Demonstration bietet“, erläutert Sylvia Eckermann ergänzend. Siehe dazu auch die nebenstehenden Berichte „Transmediale Kunst als Zukunft der Demonstration“ und „Making the Black Box Speak“.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 02.11.2018

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