Bildung wird digital
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Die digitale Bildungsrevolution kommt unausweichlich. Es geht dabei aber um viel mehr als um Tablet-Klassen.
„Die Bildung wird digital“, prognostiziert der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung Jörg Dräger in seinem neuen Buch „Die digitale Bildungsrevolution“. Diese Entwicklung ist Dräger zufolge nicht zu stoppen. Und dabei gehe es aber nicht um Tablet-Klassen oder die Smartboards in den Schulen: „Das ist viel mehr.“
Als Beispiel nennt Dräger eine Brennpunktschule in New York City. 90 Kinder aus drei Jahrgängen sitzen da in einem Klassenzimmer. „Jeder lernt für sich, alle digital - die einen schauen sich Videos am Tablet an, die anderen machen Lernspielen. Ok, und ein paar diskutieren auch miteinander.“ Am Nachmittag absolvieren alle Schüler einen Test am Computer. Anhand der Testergebnisse wird automatisch für jeden Schüler ein maßgeschneidertes individuelles Lernprogramm zusammengestellt. Das wiederhole sich Tag für Tag. Das Ergebnis ist laut Dräger überzeugend: „Die Schule verzeichnet um 50 Prozent mehr Lernfortschritt als eine ‚normale‘ Schule – und das, obwohl 80 Prozent der Eltern Sozialhilfe beziehen.“
Lernbegleiter
Das verändere auch die Rolle des Lehrers: „Der Lehrer ist nicht mehr Erzähler, sondern Lernbegleiter.“ Die Faktenvermittlung funktioniere oft besser mit einem zehnminütigen Video als durch 20 Minuten Lehrervortrag. Die gewonnene Zeit kann für Interaktion genutzt werden, für persönliche Gespräche – und wenn es um die Scheidung der Eltern geht.
Laut Dräger ist das auch ein Angriff auf bisherige Eliten: „Das schafft ein Stück globale Gerechtigkeit.“ Deshalb müssten sich Politik und etwa auch die Lehrerfortbildung überlegen, wie sie mit dieser Entwicklung umgingen.
Aufholbedarf
Während in Asien sowie Nord- und Südamerika alle bereits von digitaler Bildung redeten, hinke man in Europa noch hinterher. In Deutschland – und wahrscheinlich auch Österreich – sei der Druck noch nicht groß genug: „Die US-Amerikaner leiden unter einer erheblichen Kostenproblematik. Das Studium ist dort so teuer geworden, dass viele es sich nicht mehr leisten können. Uruguay hat Probleme, seine Lehrer zu finanzieren. Daher gilt dort vorerst: Digital ist besser als nix.“ So verfüge etwa ein deutsches Bildungs-Start-up mit einem seiner Programme in Uruguay über eine landesweite Lizenz, während es am Heimmarkt gerade einmal eine für 200 Schulen bekommen habe.
Im Rechtebereich stellten sich auch zahlreiche Fragen. „Bisher haben die Lehrer ihre Materialien wie wild zusammengeschnipselt oder was rauskopiert. In dem Moment, wo alles digital wird, stellt sich natürlich die Frage, wem die Rechte gehören." Die Unis wiederum sagten sich: „Bloß keine Online-Vorlesungen anbieten, weil sich die Leute dann eventuell einen Platz an der Uni einklagen könnten."
Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt: „Die digitale Bildungsrevolution“, DVA, 240 Seiten, 18,50 Euro, ISBN 978-3-421-04709-0