Die anspruchsvollen Siedler am dritten Grün
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Golfplätze taugen tadellos als Vorgärten und lassen dabei auch noch die Immobilienpreise steigen: Warum Nordamerika den Umzug zum Golfplatz so anziehend findet.
Das Haus der Träume, hineingebaut in ein Stück perfekt gemähte Natur. In bequemer Gehweite dazu: ein Wasserfall nebst Wanderwegen, sechs Tennisplätze und ein Pool mit Olympiaabmessungen. Golfplätze mit maßgeschneiderten zugehörigen Siedlungen überziehen die USA. Je größer das Wachstum einer Region, desto höher ist auch ihre Dichte an bewohnten Grüns.
Bluegreen, ein Unternehmen, das seit Anfang der 1980er Jahre mehr als 50.000 Grundstücke in privaten Siedlungen an den Mann brachte, konzentriert sich bei seinen Golf-Communitys auf die Ostküstenstaaten von Virginia bis Georgia. Eines der neueren Bluegreen-Projekte ist Chapel Ridge, günstig gelegen inmitten des North Carolina Research Triangle. Auf drei Quadratkilometern Land fi nden sich neben dem 18-Loch-Golfplatz ein Clubhaus, diverse Sportanlagen und sechs Familien in ihren Wohnhäusern: „Chapel Ridge ist mit seinen zwei Jahren noch ein recht junges Projekt“, erklärt Laura Levandoski, Marketing- Verantwortliche vor Ort.
Erst Brachland ...
Drei bis fünf Jahre würde es im Durchschnitt dauern, bis eine Community vollzählig sei. Dass man zur Halbzeit erst ein halbes Dutzend bewohnte Immobilien zählt, bringt den Betreiber nicht aus der Ruhe. Weil man nicht wie in anderen Privatanlagen fertige Häuser, sondern vor allem Grundstücke verkaufe und diese auch mit keinem zwingenden Bebauungsdatum versehe, hätten sich bereits zahlreiche Investoren Baugründe gesichert. „Golf ist augenblicklich ein Riesentrend in den USA“, sagt Levandoski, „ganz besonders im Süden.“ Und doch schwingen 70 Prozent der Bewohner von Golfplatz-Communitys nicht einmal den Schläger. Der Hauch von Exklusivität, der den Sport umweht, setzt sich auch in den am Grün gelegenen Immobilien inklusive ihrer Bewohner fort: Golfplatz-Communitys seien immer etwas netter, die Häuser hübscher, weiß Levandoski. Und schließlich würden Golfplätze stets einen gepfl egten Vorgarten abgeben.
Der Fokus der Betreiber verschiebt sich indes von Ruheständlern in Richtung Familien, folglich gilt es, die Attraktivität für Nicht-Golfer zu steigern. So entstehen themenparkähnliche Anlagen, die mit toskanischer Architektur oder frei herumlaufenden Wildtieren aufwarten. Hinzu kommt die positive Ausstrahlung des Sports auf die Immobilienpreise: Ein Golfplatz im Garten sorgt für einen dauerhaft passablen Wert von Haus und Grund, und dafür sind die Bewohner auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Als zusätzliche Wertsicherung gilt schließlich, wenn bekannte Namen wie Fred Couples oder Golfplatzbauer Kyle Phillips für das Design des Platzes verantwortlich zeichnen. Chapel Ridge etwa nennt 450.000 US-Dollar (358.000 Euro) als Einstiegspreis für ein Domizil vor Ort. Ähnliche Kosten kommen auch auf die Bewohner von The Point, einer Anlage an den Ufern des Lake Norman in North Carolina, zu: Ab einer halben Mio. US-Dollar ist man dabei.
... dann Wirtschaftsfaktor
Vorsichtiger Trend ist das Dorf am Grün längst keiner mehr, immer mehr Plätze sehen in ihrer Planung ein Siedlungsprojekt vor. Vor fünf Jahren bereits zählte die National Golf Foundation (NGF) bei knapp der Hälfte aller Vorhaben einen Community-Aspekt – Tendenz steigend. Mitverantwortlich ist der steigende Landpreis, der Bauunternehmen in dichter besiedelten Regionen zusetzt. Gleichzeitig steigt mit mehr als 16.000 Golfplätzen im Land die Konkurrenz. Die von der NGP gezählten Golfspiele sind etwa in der San Francisco Bay-Region leicht im Sinken begriffen, während allein in Orange County 60 Plätze ihrer Bespielung harren. Die NGP führt die Entwicklung auf Wetter und Wirtschaft zurück, andere halten siefür eine Konsolidierung des Überangebots, das noch dem Tiger Woods-Hype entstammt.
Das Land braucht also weniger Golfplätze und mehr Sportler, die diese auch benutzen. Doch gerade hier stellt sich das Spiel der Wirtschaftlichkeit entgegen: Denn sogar Golfer wollen nicht von der Hand weisen, dass das teure Spiel auch zeitaufwändig zu lernen und zu praktizieren ist. 18 Löcher lassen sich bestenfalls in vier Stunden überwinden, Vorbereitung, Hin- und Rückfahrt, und schon ist ein ganzer Tag verbraucht. Die finanzielle Hilfestellung kommt stattdessen von den Siedlern, die die Golfplätze nunmehr bewohnen. Zwar treiben sie die Platznutzung nur wenig voran, die verkauften Grundstücke liefern jedoch das entscheidende Zubrot. Und was sind schon 50.000 US-Dollar Mehrkosten bei einem Ausblick auf immerwährendes Grün.
Auf Nummer sicher gehen indes Golfplätze mit eingebautem Urlaubsort: Das Resort Cuscowilla etwa, Zweitwohnsitz für eine zahlungskräftige Klientel aus Atlanta, verfügt über ein modernes Konferenzzentrum, das sich für Hochzeiten und Familienfeste gleichermaßen eignet. Und mit 188 Zimmern, die Ende des Sommers verfügbar sein sollen, ist dann auch der Endausbau zum vollwertigen Urlaubsclub vollzogen. Elaine Harris, Marketing-Koordinatorin in Cuscowilla: „Wir haben alles in einem Paket inkludiert. Wäre es nicht so, würden die Leute anderswohin gehen.“
Ausgewählter Artikel aus dem Jahr 2006
Alexandra Riegler, Economy Ausgabe 13-08-2006, 03.06.2015